Aufzucht von Jungtieren

Die Aufzucht von juvenilen Wasserschildkröten verläuft nicht immer problemlos. Sie sind im Allgemeinen anfälliger für Krankheiten oder Störungen, weswegen beispielsweise Verhaltensveränderungen oder Nahrungsaufnahme eine größere Beachtung geschenkt werden sollten. In dieser Zusammenstellung sollen die wesentlichen Aspekte zur artgerechten und möglichst problemfreien Aufzucht von jungen Wasserschildkröten genannt werden.

Anschaffung

Zugegeben: Dieser Aspekt fällt nicht jedem direkt als erstes ein. Dennoch sollte ihm eine gewisse Aufmerksamkeit geschenkt werden. In Zoohandlungen werden häufig Wasserschildkrötenbabys verkauft, welche aus großen Zuchtfarmen aus den USA stammen. Sie werden dort künstlich in den Winterschlaf versetzt und dann durch die ganze Welt verschickt, dort dann schnell wieder in den künstlichen Hochsommer gesetzt. Aus diesem Grund sind die Tiere leider häufig extrem geschwächt oder bereits schwer erkrankt. Nicht selten sterben die Tiere noch im Laden oder bald beim neuen Halter. Der Kauf seiner Tiere von verantwortungsvollen Wasserschildkrötenzüchtern führt mehrere Vorteile mit sich. Zum einen hat sich der Züchter zumeist intensiv mit der artgerechten Haltung der Art beschäftigt und kann nützliche Tipps geben. Zum anderen sind die Jungtiere fitter und gesunder, da sie nicht bereits die halbe Welt umkreist haben.

Wir haben im Shop eine umfangreiche Auswahl an Nachzuchten “made in Germany”, die entweder direkt in Werl geboren wurden, oder über befreundete Züchter im Shop angeboten werden.

Beckengröße

Glaubt man vielen Stimmen im Internet, so können auch adulte Schlammschildkröten (Kinosternon spp. und Sternotherus spp.) mit 10 cm Carapaxlänge erst in Becken von mindestens 120 cm Kantenlänge gehalten werden. Über diese in den Raum gestellten „Mindestanforderungen“ kann und muss gestritten werden. Für die Aufzucht von Schlüpflingen eignen sich vor allem kleinere Becken. Diese haben gegenüber großen Becken einige Vorteile. Wenn man den Bodengrund mit Aquariumsilikon einschmiert und dort gegebenenfalls etwas Kies eindrückt, lassen sie sich sehr leicht von Futterresten und Kot reinigen – eine teure Filteranlage muss nicht installiert werden. Außerdem lassen sich kleine Wasserschildkröten in kleineren Becken deutlich besser beobachten und füttern. Genaueres zur Beckengröße wird bei den einzelnen Familien bzw. Gattungen genannt. Ob Glasaquarien oder Plastikboxen verwendet werden, spielt hierbei im Übrigen keine Rolle.

Technik

Auch juvenile Wasserschildkröten sonnen sich. Aus diesem Grund darf auf keinen Fall an der Beleuchtung gespart werden. Durch die Aufzucht in kleineren Becken können 35W-Leuchtmittel verwendet werden: Diese beleuchten das gesamte Becken und erwärmen das Wasser, so dass auf eine zusätzliche Beheizung des Aquaterrariums verzichtet werden kann.

In der Jungtieraufzucht erprobte Leuchtmittel mit UVB Anteil könnt ihr im Shop erwerben. Es besteht auch die Möglichkeit für kleines Geld ein Koplettset zu erstehen.

Wie bereits erwähnt ist im Allgemeinen keine Filterung des Wassers notwendig. Allerdings sollte das Wasser mindestens einmal wöchentlich erneuert werden. Der Einsatz einer Membranpumpe kann sinnvoll sein, damit Kot und Futterreste nicht faulen. Auch eingebrachte Pflanzen filtern das Wasser in der Regel zuverlässig.

Fütterung

Der Fütterung gehört eine ganz besondere Aufmerksamkeit! Bei Schlüpflingen ist es anfangs sehr wichtig, dass sie regelmäßig fressen – immerhin wiegen Schlüpflinge meist nur wenige Gramm und sind selten größer als 3 cm. Aus diesem Grund sollten die Jungtiere in den ersten sechs Monaten beinahe täglich gefüttert werden, anschließend reicht eine Fütterung alle zwei bis drei Tage aus. Dabei fressen selbst die Arten, die ausgewachsen hauptsächliche pflanzliche Nahrung zu sich nehmen, fast nur tierische Nahrungsmittel. Am einfachsten ist es, wenn man für juvenile Wasserschildkröten das übliche Frostfutter für Fische kauft und dieses verfüttert, beispielsweise Artemia, Tubifex, Krill oder Mückenlarven in allen Farben. Selbiges gilt selbstverständlich auch mit entsprechendem Lebendfutter, welches von vielen Jungtieren ausschließlich angenommen wird. Natürlich können juvenile Wasserschildkröten auch alles fressen, was die großen Tiere bekommen – allerdings müssen die Portionen dann entsprechend an die Größe angepasst werden.

Für die Gattungen konkret

  • Schlammschildkröten: Ein Schlüpfling der Gewöhnlichen Moschusschildkröte (Sternotherus odoratus) wiegt etwa 2 Gramm und ist keine 2 cm groß. Ähnliches gilt für die meisten Klappschildkröten der Gattung Kinosternon spp. sowie die anderen Moschusschildkröten der Gattung Sternotherus spp. Setzt man solch eine Miniaturausgabe von Wasserschildkröte nun in das oben genannte 120 cm lange Becken, so wird man es vermutlich erst nach stundenlangem Suchen finden. Aus diesem Grund eignen sich Aufzuchtbecken (und dies sei hier bereits vorab deutlich betont: Diese Becken dienen lediglich zur Aufzucht!) von 30x20x20 cm oder 40x25x25 cm. Der Bodengrund besteht aus genanntem Aquariumsilikon, welcher mit eingedrücktem Kies überdeckt ist oder Sand. Der Wasserstand sollte zunächst relativ niedrig sein (3-5 cm) und kann sukzessive mit zunehmender Sicherheit und Wachstum gesteigert werden. Einige Wasserpflanzen wie Wasserpest (Elodea), Hornkraut (Ceratophyllum) oder Haarnixe (Cabomba) dienen neben einer Wurzel als Schutz und Klettermöglichkeiten, damit die Wasseroberfläche immer laufend erreicht werden kann. Als Landteil kann eine geknickte bzw. eingehangene Weidenholzbrücke oder eine Korkrinde dienen.
  • Sumpfschildkröten: Aufzuchtbecken für juvenile Sumpfschildkröten wie beispielsweise der Tropfenschildkröte (Clemmys guttata) oder der Waldbachschildkröte (Glyptemys insculpta) folgen in ihrer Größe und in ihrem Aufbau den Becken für Schlammschildkröten, allerdings empfiehlt es sich, auch den Jungtieren einen größeren (beispielsweise mit Moos befüllten) Landteil zur Verfügung zu stellen.
  • Schmuckschildkröten: Anders als bei Schlamm- oder Sumpfschildkröten können Schmuckschildkröten der Gattungen Pseudemys ssp.,Trachemys spp., Graptemys spp. und Chrysemys picta ssp. (für die seltener gehaltenen Gattungen Deirochelys reticularia ssp. und Malaclemys terrapin ssp. gilt dies ebenso) schon sehr schnell nach ihrem Schlupf ziemlich gut schwimmen. Dennoch ist es auch hier wichtig, die Jungtiere gut beobachten und kontrollieren zu können. Für die Gruppenaufzucht von mehreren Jungtieren eignen sich Aquaterrarien mit den Maßen 60x30x30 cm bzw. 80x35x40 cm, einzelne Jungtiere können ebenfalls in diesen Becken aufgezogen werden. Auch hier sollte auf eine dichte Pflanzendecke und Wurzeln geachtet werden. Einem Landteil muss hier ebenfalls größere Bedeutung geschenkt werden: Schmuckschildkröten sonnen sich von klein auf. Korkrinde, die zwischen Vorder- und Rückwand geklemmt wird, hat sich bewährt. Bei diesen größeren Becken sollte eine Filterung nicht fehlen.

Gruppenaufzucht

Anders als bei ausgewachsenen Wasserschildkröten gibt es bei Jungtieren keine Paarungsversuche, weswegen es auch keinen Stress durch die Balz aufdringlicher Männchen gibt. Dennoch ist eine Gruppenaufzucht nicht immer möglich. Stressempfindliche Wasserschildkröten wie beispielsweise die Tropfenschildkröte (Clemmys guttata) oder die Nackenstreifen-Moschusschildkröte (Sternotherus minor peltifer) sollten einzeln aufgezogen werden. Durch die Anwesenheit anderer Wasserschildkröten kann es zur Verweigerung der Nahrungsaufnahme und im schlimmsten Fall zum plötzlichen Tod kommen. Generell empfiehlt es sich, Schlamm- und Sumpfschildkröten möglichst in separaten Becken einzeln aufzuziehen. Eine gemeinsame Aufzucht kann gelingen – kann aber auch böse enden. Bei Schmuckschildkröten gelingt die Gruppenaufzucht meist recht gut. So können die Jungtiere bis etwa zum Erreichen der Geschlechtsreife gemeinsam gehalten werden. Dennoch sollten die einzelnen Tiere genau beobachtet werden: Durch Futterneid oder zu wenig Versteckmöglichkeiten kann es beispielsweise zu Beißereien kommen. In solch einem Fall sollten die Tiere umgehend separiert werden.

Das heißt zusammengefasst: Eine Gruppenaufzucht juveniler Wasserschildkröten ist möglich und in der Regel problemloser als bei ausgewachsenen, geschlechtsreifen Tieren. Allerdings gibt es auch hier keine Garantie dafür, dass sich die Tiere vertragen oder dass es nicht durch Stress zu Ausfällen kommt.

Hinweis

Dieser Artikel bezieht sich lediglich auf die Aufzucht von juvenilen Wasserschildkröten. Auf keinen Fall soll er als Argumentationsstütze für die Haltung von Wasserschildkröten in zu kleinen Becken dienen! Die Gründe, wieso kleinere Aquarien für die Aufzucht verwendet werden sollten, sind hier ausgiebig dargestellt. Bei richtiger Ernährung und dementsprechend relativ langsamem Wachstum reichen die hier genannten Becken für die ersten zwei bis drei Lebensjahre aus. Zum Vergleich: Eine ausgewachsene Gewöhnliche Moschusschildkröte (Sternotherus odoratus) ist etwa 10 cm groß – wird sie in einem Aquaterrarium von 80 cm bzw. 100 cm Kantenlänge gehalten, entspricht dies dem Acht- bzw. Zehnfachen ihrer eigenen Körpergröße. Für einen 2-3 cm großen Schlüpfling entspricht ein Becken von 30 cm bzw. 40 cm Kantenlänge dem Zehn- bis Zwanzigfachen ihrer Körpergröße.

Anbei findet ihr eine Liste der Gegenstände, die für ein perfektes Aufzuchtbecken benötigt werden:

Zur Aufzucht von jungen Schildkröten werden von Züchtern in der Regel kleinere Aquarien genutzt. Diese bieten Vorteile gegenüber einem großzügig dimensionierten Becken auf die im Text eingegangen wurde.
Sofern kein Bodengrund verwendet wird, kann man den Boden des Aufzuchtaquariums mit Aquariensilikon einschmieren. Der Boden wird dadurch griffiger und die Schildkröte hat es einfacher sich umzudrehen, sollte sie einmal umfallen. Achtet darauf hochwertiges Silikon zu kaufen. Das Silikon auf dem Bild rechts ist sehr gut. Damit ihr nicht versehentlich das falsche Silikon kauft, einfach auf das Bild klicken.
Zum Verteilen des Silikon benötigt ihr eine sogenannte Kartuschenpresse. Das Modell rechts hat einen Tropfstopp, welcher sehr praktisch ist. So läuft das Silikon nicht unkontrolliert aus, wenn man gerade nicht spritzt.
Das Wasser eines Aufzuchtbeckens zu filtern ist alleine schon aufgrund des geringen Wasservolumens und des hohen Eintrags an Nährstoffen sehr schwierig. Eine Membranpumpe belüftet das Wasser und verhindert üble Gerüche durch das belastete Wasser
Alternativ zum allseits bekannten "Blubberstein" kann auch ein Luftfilter verwendet werden. Dieser hält die Wasserqualität länger aufrecht.
Damit es zu keinen unangenehmen Überraschungen kommt, sollte auf jeden Fall ein Rückschlagventil eingebaut werden. Wenn die Membranpumpe unter dem Wasserlevel steht und ausfällt (Stromausfall, defekt etc.) kann es passieren, dass das Wasser im Becken eben durch den Luftschlauch abgelassen wird. Dieser Effekt wird durch die Ventile verhindert. Zu dem günstigen Preis braucht man nicht lange drüber nachdenken. Die Investition lohnt immer.
Eine Nagerbrücke kann als Landteil zweckentfremdet werden. Einfach passend zurecht biegen und das Tier hat gleichzeitig noch einen Unterschlupf zum verstecken.
Die richtige Beleuchtung darf auch hier nicht fehlen. Aufgrund der Nähe zum Becken kann man sich oft die Beheizung des Wassers sparen. Im Shopbereich findet ihr passende Leuchtmittel.
Die Lampe wird am besten einfach an eine solche Konstruktion befestigt und über das Becken gehängt. Fertig ist das Jungtier- Aufzuchtbecken
Beispiel für Aufzuchtbecken

Weiterführende Literatur:

Becker, Herbert (2010): Aufzuchtbecken für südostasiatische und nordamerikanische Wasser- und Sumpfschildkröten. – Online: URL: http://clemmys.de/literatur/frame-set.html.

Buhlmann, Kurt, Tuberville, Tracey & Gibbons, J. Whitfield (2008): Turtles of the Southeast. – Georgia (The University of Georgia Press): 252 S.

Ernst, Carl H. & Lovich, Jeffrey E. (2009): Turtles of the United States and Canada – Second Edition. – Baltimore (The John Hopkins University Press): 827 S.

Hennig, Andreas S. (2003): Zierschildkröten. – Münster (Natur und Tier – Verlag): 79 S.

  • 2004: Haltung von Wasserschildkröten. – Münster (Natur und Tier – Verlag): 125 S.
  • 2016: Lebensweise, Haltung & Zucht: Tropfen- & Waldbachschildkröte. – Frankfurt am Main (Edition Chimaira): 94 S.

Pempelfort, Hendrik (2016): Die Größe von Aufzuchtbecken juveniler Wasserschildkröten. Marginata, Münster, 14 (3): 24-30.

  • 2018: Die Aufzucht juveniler Schlammschildkröten. Sacalia (16) 3: 28-41.

Praschag, Reiner (2005): Die Flache Moschusschildkröte (Sternotherus depressus Tinkle & Webb, 1955). – Marginata, Münster, 2 (1): 20-30.

  • 2013: Großkopfschildkröten in Natur und menschlicher Obhut: Teil 1. – Marginata, Münster, 10 (3): 20-30.
  • 2014: Großkopfschildkröten in Natur und menschlicher Obhut: Teil 3. – Marginata, Münster, 11 (4): 36-45.

Roddewig, Ewald (2014): Haltung und Zucht der Gattung Graptemys bei artgerechter Pflege in menschlicher Obhut: Teil 1. – Sacalia, Stiefern, 44 (12): 15-33.

Schaffer, Gerhard (2005): Die Aufzucht von Jungtieren verschiedener Arten der Moschusschildkröten. – Marginata, Münster, 2 (1): 54-56.

Schilde, Maik (2001): Schlammschildkröten: Kinosternon, Sternotherus, Claudius und Staurotypus. – Münster (Natur und Tier – Verlag): 133 S.

Wapelhorst, Xaver (2011): Schmuckschildkröten halten & pflegen, beobachten & verstehen. – Stuttgart (Kosmos-Verlag): 73 S.

  • 2017: Wasserschildkröten-Fibel. – Ettlingen (Dähne-Verlag): 95 S.

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